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Die Geschichte der Brille


Altertum


In der Antike waren Sehhilfen nicht bekannt. Als Beleg hierfür kann beispielsweise ein Brief von Marcus Tullius Cicero (106 bis 43 v.Chr.) dienen, in dem sich der römische Staatsmann über das abnehmende Sehvermögen im Alter beklagte. Er berichtet in diesem Schreiben, dass ihm auf Grund seiner Sehschwäche nichts anderes übrig blieb, als sich von einem Sklaven die Texte vorlesen zu lassen.

Mehrdeutig ist ein Bericht des römischen Schriftstellers Gajus Plinius (23 bis 79 n.Chr.), der in seinen Aufzeichnungen schilderte, dass Kaiser Nero bei der Beobachtung der Gladiatorenkämpfe einen Smaragd als brillenartige Vorrichtung benutzte. Ging man zunächst davon aus, dass Nero den grünen Edelstein zum Ausgleich seiner Kurzsichtigkeit einsetzte, deutete man sein Verhalten später in anderer Weise. Nun war man der Ansicht, er habe sich mit dem Smaragd vor dem grellen Sonnenlicht in der Arena schützen wollen.

Mittelalter


Aus dem Mittelalter dagegen sind dann in einem Vorgriff auf Brillen so genannte Lesesteine bekannt, die als Vergrößerungsgläser auf die Texte gelegt wurden. Sie sind unseren heute noch gebräuchlichen Lupen vergleichbar. Aus einem der dafür verwendeten Edelsteine, dem Beryll – einem durchsichtigen und durchscheinenden Mineral – ging interessanterweise der Begriff Brille hervor. Man bezeichnete nämlich eine aus Beryll geschliffene Linse als ‚Brill‘. Zwei dieser Linsen nannte man in der Mehrzahl dann ‚Brille‘.

Als gesichert gilt, dass die eigentliche Brille Ende des 13. Jahrhunderts in Venedig entwickelt wurde. Dieser Standort erklärt sich aus der Tatsache, dass zu dieser Zeit Murano, eine Stadt auf der gleichnamigen Insel in der Lagune von Venedig, das Zentrum der europäischen Glasindustrie und daher führend in der Verarbeitung von Glas war.

Die Nietbrille


Die als Nietbrillen bezeichneten ersten einfachen Sehhilfen wurden Ende des 13. Jahrhunderts in Venedig hergestellt. Sie bestanden aus zwei bikonvexen (beiderseits gewölbten) Linsen, die in Fassungen aus Holz, Horn oder Eisen montiert und dann zusammengenietet wurden. Aus heutiger Sicht waren diese Nietbrillen ausgesprochen unbequem, denn sie mussten mit der Hand auf dem Nasenrücken fest gehalten oder vor die Augen gehalten werden. Diese Art der Brille blieb über einen Zeitraum von etwa 150 Jahren in Gebrauch. Die damals sehr wertvollen Nietbrillen waren den reichen und den gelehrten Ständen vorbehalten.

Die Bügelbrille


Eine wesentliche technische Verbesserung des Brillengestells wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entwickelt. Bei der Konstruktion der Bügelbrille wurden die beiden Gläserfassungen nicht mehr wie bei der Nietbrille durch zwei vernietete Stiele miteinander verbunden, sondern mit Hilfe eines Bügels beziehungsweise eines Bogens. Dieser bestand aus Horn, Fischbein, Bronze, Eisen, Holz oder Leder.

Die Bügelbrille hielt sich im Gegensatz zur Nietbrille bedeutend fester auf dem Nasenrücken. Dies wurde zusätzlich dadurch begünstigt, dass man die Bügel elastischer gestaltete und parallel zum Rand mit Schlitzen versah. So ließ sich die Bügelbrille besser über den Nasenrücken klemmen. Diese Form der Brille war bis in das 18. Jahrhundert in Gebrauch.

Die Fadenbrille


Im 16. Jahrhundert wurde in Spanien die so genannte Fadenbrille entwickelt. An einer herkömmlichen Bügelbrille wurden dabei an den beiden Fassungsrändern Fäden befestigt. Diese endeten in Schlingen, welche man um die Ohren legte. Zum ersten Mal in der Geschichte der Brille waren somit bei der Benutzung der Fadenbrille die Hände frei. Darüber hinaus war ein relativ guter Halt der Brille gegeben, ohne dass ein besonderer Druck auf den Nasenrücken ausgeübt werden musste.

Trotz dieser offensichtlichen Vorzüge setzte sich die Fadenbrille in Europa nur in ihrem Entstehungsland Spanien und in Italien durch. Großen Erfolg hatte diese Form der Brille allerdings in Asien, nachdem sie von spanischen Missionaren im 16. Jahrhundert in China eingeführt worden war. Die Chinesen verbesserten die Fadenbrille später in einem entscheidenden Punkt, indem sie die Brille mit Gewichten hinter den Ohren fixierten.

Der Zwicker


Ebenfalls im 16. Jahrhundert wurde eine weitere Sehhilfe – der Zwicker – hervorgebracht. Bei dieser Brille wurden die beiden Glasfassungen mit einem Federbügel verbunden, der aus Kupfer oder Eisen bestand. In einer wichtigen Weiterentwicklung wurden die Fassungen später mit einem Lederpolster versehen, das den Druck auf die Nase entscheidend verminderte. Der Zwicker war vom 17. bis 19. Jahrhundert weit verbreitet.

Die Klemmbrille


Im 17. und 18. Jahrhundert wurde im süddeutschen Raum – in Nürnberg, Fürth und Regensburg – die Klemmbrille hergestellt. Es handelte sich dabei um eine einfache und damit auch preiswerte Brillenform, bei der die Brille nur aus einem einzigen langen Stück Draht gefertigt wurde. Die Klemmbrille hatte großen Erfolg und war schon nach kurzer Zeit in ganz Europa in Gebrauch.

Das Monokel


Als eine Weiterentwicklung des Lesesteins findet sich das Monokel bereits im 14. Jahrhundert. Damals wurde es aber nicht wie später als in die Augenhöhle eingeklemmte Brille für ein Auge verwendet, man hielt das Monokel vielmehr lediglich vor das Auge oder über den zu lesenden Text. Den entscheidenden Vorteil des Einklemmens nutzte man erst im 16. Jahrhundert, aber auch zu dieser Zeit war das so genannte Einglas nur wenig verbreitet. Dies änderte sich erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als sich die Sehhilfen auch in der bürgerlichen Mittelschicht durchsetzten. Nun wurde das Monokel zu einer regelrechten Modeerscheinung, die besonders in Deutschland und England bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sehr verbreitet war.

Das Lorgnon und die Lorgnette


Im 18. und 19. Jahrhundert waren das Lorgnon – ein Einglas mit Stiel – und die Lorgnette als bügellose Brille mit Stielgriff für beide Augen gleichermaßen beliebte Sehhilfen. Ihren Ursprung hat die Lorgnette wohl als umgekehrt gehaltene Nietbrille. Dieser bereits im 15. Jahrhundert gebräuchliche Vorläufer wurde auch als Scherenbrille bezeichnet. Im 18. Jahrhundert jedenfalls verbreiteten sich Lorgnon und Lorgnette im deutschsprachigen Raum, um sich schließlich im beginnenden 19. Jahrhundert in Frankreich durchzusetzen.

Die Ohrenbrille


Erst rund 450 Jahre nach der Konstruktion der ersten Brille in Venedig kamen Brillenmacher auf die Idee, eine Brille mit Hilfe eines Bügels seitlich am Kopf an den Schläfen oder über den Ohren zu fixieren. So war es dem französischen Optiker Thomin vorbehalten, im Jahr 1746 ein Brillengestell anzufertigen, das zwei seitlich angebrachte Bügel (sie wurden auch als Stangen bezeichnet) aufwies. Diese Bügel endeten an den Schläfen und verhinderten so ein Abrutschen der Brille von der Nase.

Die eigentliche Ohrenbrille als Vorbild der heute gebräuchlichen Brillen entwickelte im Jahr 1752 ein Londoner Optiker, der eine Brille mit Doppelstangen erfand. Bei dieser Brillenform wurden die Seitenbügel verlängert und mit einem Gelenk versehen. Diese Bügel umfassten den Kopf über den Ohren und verbesserten den Halt der Brille in entscheidender Weise.

In der Folgezeit entwickelte man immer besser konstruierte Bügel für den Nasenrücken und flexiblere Seitenbügel, die sich der Form der Ohren anpassten. Darüber hinaus wurde durch den Einsatz von Kunststoffen für Brillenfassungen und Brillengläser das Gewicht der Brille wesentlich verringert. Am – vorläufigen – Ende der Geschichte der Brille kam schließlich rund 700 Jahre nach dem ersten Exemplar, der unbequemen Nietbrille, sogar das Leichtmetall Titan zum Einsatz, um das Gewicht der Brille weiter zu minimieren.
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